Spanische Hofreitschule in Wien
In diesem Jahr fiel mein Spanienurlaub leider aus. Dafür war aber eine 5-Tages-Städtereise nach Wien geplant. Früh im Jahr buchte ich schon günstige Flüge, so dass es am 20.09. ab zum Flughafen ging.
Am ersten Tag wurde erst einmal die nähere Umgebung besichtigt. Die Fiaker, die an bestimmten Punkten in der Stadt auf Fahrgäste warteten, wurden erst einmal genauestens unter die Lupe genommen, ob der Zustand der Pferde auch in Ordnung war. Auf eine Fahrt haben wir dann aber doch verzichtet, da uns die Preise (20 Minuten 45 €, 60 Minuten 95 €) doch ein wenig zu hoch erschienen.
Für den 21.09. war dann geplant, die Morgenarbeit in der Spanischen Hofreitschule anzusehen und eine Führung durch die Stallungen zu machen. Katrin und Thomas, Freunde von mir, waren zufälligerweise zum gleichen Zeitpunkt in Wien und besorgten schon am Vortag Karten. Somit war die Überraschung für meine Mutter, die an diesem Tag 60 wurde, perfekt.
Die Spanische Hofreitschule Wien ist die einzige auf der Welt, die seit 430 Jahren unverändert die Tradition der Hohen Schule lebt und praktiziert. Hier wollten wir uns die Morgenarbeit bei klassischer Musik von Bach, Mozart und Schubert ansehen. Sinn der Morgenarbeit ist es, die Pferde zu lockern, Muskelpartien zu kräftigen und Lektionen der Hohen Schule zu trainieren, aufzufrischen und zu perfektionieren. Zu sehen waren immer 5 Pferde, die entweder geritten oder am langen Zügel gearbeitet wurden. Alle Pferde trugen klassische Sättel und bis auf ein oder zwei Pferde eine einfache Trense. Aufgefallen ist, dass die Bereiter mit sehr feinen Hilfen geritten sind und die Pferde sehr viel gelobt haben. Die Übungseinheiten für jede Gruppe betrug ca. 30 Minuten, so dass wir in den 2 Stunden 20 verschiedene Pferde zu sehen bekamen. Leider wurden keine Übungen über dem Boden gezeigt, worauf ich besonders gespannt war. Am Ende der Morgenarbeit hatten wir dann 2 Stunden Zeit bis die Führung stattfinden sollte.
Um 14 Uhr fanden wir uns am Treffpunkt ein. Wir wurden von der Hofburg zu der Stallburg über die Straße geführt und wunderten uns sehr, dass man von außen so gar nicht erkennen konnte, dass es sich um Stallungen handelt. Da zur Zeit Bauarbeiten durchgeführt wurden, konnten wir nur einen Stalltrakt besichtigen. Hier befanden sich ca. 10 Lipizzaner-Hengste in Boxen (leider ohne Fenster). Bis auf einen Rappen waren alle strahlend weiß. Nach einer Einführung über die verschiedenen Blutlinien: Neapolitano, Maestoso, Conversano, Siglavy etc., konnten wir uns frei im Trakt bewegen und Fragen stellen. Anfassen durfte man die Pferde nicht, da es schon mal einen Todesfall durch eine Infizierung mit Bakterien gekommen war. Interessant war z.B. die Namensgebung der Hengste. Der Name setzt sich zusammen aus der Hengstlinie + Stutenname = Fohlenname, z.B. Ein Hengst der Blutlinie Maestoso wird gepaart mit Alea = Fohlenname Maestoso Alea. Gibt es aus der gleichen Anpaarung schon weitere Nachkommen, werden römische Ziffern an den Namen gehangen.
Bis zu ihrem 4. Lebensjahr leben die Pferde im Landgestüt Piber in der Weststeiermark. Nach einem Auswahlverfahren werden die Hengste ausgesucht, die sich für die Hohe Schule eignen und kommen nach Wien in die Hofreitschule, wo sie 4 bis 6 Jahre behutsam ausgebildet werden. Jedes Pferd hat sein Spezialgebiet: Piaffe, Passage, Kapriole, Levade, etc. Nur ein einziger Hengst beherrscht alle Lektionen, dieser ist mittlerweile 27 Jahre alt und bei bester Gesundheit. Insgesamt stehen zur Zeit 66 Hengste in Wien. Diese werden von 25 Mitarbeitern des Stallpersonals betreut. 18 Reiter bestehend aus Eleven, Bereitern und Oberbereitern kümmern sich um die Ausbildung der Hengste. Die Hengste haben im Sommer 2 Monate und im Winter 1 Monat Urlaub, den sie auf den weiten Wiesen in Piber verbringen. Hengste, die zur Zucht eingesetzt werden dürfen dort frei mit den Stuten auf den Wiesen laufen.
Jeder hat die Möglichkeit sich bei der Hofreitschule zu bewerben. Zur Zeit werden immer noch nur männliche Bewerber angenommen. Es gibt aber bereits Diskussionen, dass in Zukunft auch Frauen aufgenommen werden sollen. Der Bewerber muss nicht unbedingt reiten können. Vorraussetzung für die Annahme ist die Begeisterung und die Liebe zum Pferd. Bewerber ohne große reiterliche Ausbildung werden sogar gerne aufgenommen, da diese noch keine eingefahrene Reitweise haben, die man mühselig ändern muss. Um Oberbereiter der Spanischen Hofreitschule Wien zu werden ist es ein langer Weg und kann bis zu 20 Jahre dauern. Die Grundausbildung der Eleven dauert 10 Jahre. Hier wird alles rund ums Pferd gelehrt, auch die Pflege des Pferdes muss hier noch übernommen werden. Nach dieser Zeit wird man Bereiteranwärter. Hier durchläuft man noch einmal ca. 5 Jahre und muss beweisen, dass man einen rohen Hengst allein bis zur Hohen Schule ausbilden kann, dann wird man zum Bereiter ernannt. Im Anschluss besteht die Möglichkeit Oberbereiter zu werden. Über den Verdienst konnten wir nichts erfahren, außer, dass man davon sehr gut in Wien leben kann.
Im Anschluss wurden wir dann in die Sattelkammer geführt. Hier hängt für jedes Pferd ein Arbeitssattel und eine Kopfstück für die Arbeit sowie ein Showsattel und Kopfstück für die Vorführung. Zusätzlich konnten wir uns in einer Vitrine die Ausrüstung der Reiter ansehen. Nun wurden wir wieder in die Hofburg geführt, in der sich die Winterreitbahn befindet. Dort hatten wir schon zuvor der Morgenarbeit beigewohnt. Hier durften wir in der kaiserlichen Loge Platz nehmen und uns wurden historische Details zu dem Gebäude erklärt. Die Sommerreitbahn befindet sich im Innenhof. Von der Terrasse des kleinen Cafes kann man morgens von 9.00 h – 9.30 h das Aufwärmen der Pferde für die Morgenarbeit beobachten.
Hofreitschule
Die Führung durch die Stallungen war sehr interessant, auch wenn man durch die Bauarbeiten nicht alles ansehen konnte. Auch für Nichtreiter, die einen Kurzurlaub in Wien machen ist eine Führung zu empfehlen, gehörte die Hofreitschule doch zum Kaiserlichern Hof.
Hier gibt es Informationen:
Heike Worm