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Seminar „Zurück zum Pferd“ vom 11.03.2006 in Wickrath

 

 

Nach einer kurzen Begrüßung und Vorstellung ging es auch schon los: 
Dr Heuschmann übernahm den theoretischen Teil. Er erklärte den Aufbau von Knochen, Wirbeln und Muskeln, auch wie sie zusammenarbeiten und dass dieses Wissen für jeden Reiter notwendig ist. 

In der natürlichen Halshaltung des Pferdes hat die Halswirbelsäule eine S-Form. In Dehnungshaltung ist diese gerade. Das lange Nackenband setzt am Hinterhauptbein an und wird in der Dehnungshaltung lang gezogen. In dieser Haltung fällt es dem jungen Pferd leichter den Reiter zu tragen und sich dabei auszubalancieren. Durch das „krumm“ machen im Hals bei absoluter Aufrichtung ist das lange Nackenband entspannt. Jetzt ist der Rückenmuskel gezwungen das Tragen zu übernehmen. In diesem verkrampften Zustand fußen die Vorderbeine extrem hoch. Leider sind die Hinterbeine durch den festgehaltenen Rücken zu langsam und kommen nicht mit. Dies sind leider die Bilder die man heutzutage oft auf Turnieren sieht, und die hoch bewertet werden. 

Dr. Heuschmann zeigte Fotos von solchen Pferden, die so geritten wurden. Teilweise erhebliche Taktfehler: Seit wann gibt es eine Einbeinstütze im Trab? Im Schritt zeigt sich bei solchen Pferden oft die laterale Fussfolge, also die Neigung zum Pass. Auch dies verursacht durch eine zu harte Hand, die deutlich rückwärts einwirkt und die natürliche Nickbewegung nicht mehr zulässt. Das Pferd ist so festgehalten im Rücken, dass der klare Viertakt nicht mehr möglich ist. 

Nach der Heeresdienstvorschrift werden die jungen Pferde in den ersten Jahren hauptsächlich im Gelände vorwärts geritten: Ausdauer- und Muskeltraining im hügeligen Gelände und bei leichten Jagden. Dann erst werden sie für eine Richtung spezialisiert. 

Nach einer kurzen Kaffee und Kuchenpause ging es dann weiter mit dem praktischen Teil mit Martin Plewa. 
Die Auszubildenden stellten verschiedene Pferde, vom 3-jährigen bis zum 6-jährigen, vor. Jede Gruppe war zwischen 20 und 30 Minuten in der Bahn. Trotz dieser kurzen Zeit sah man am Schluss große Unterschiede. 

Zurück zum Pferd, also: Zurück zur Skala der Ausbildungsskala. 

Martin Plewa bestand bei allen Pferden am Anfang auf den hingegeben Zügel. Gerade den jungen und aufgeregten Pferden brachte dies Sicherheit und Vertrauen. Schon nach einigen Runden konnte man so einen fleißigen und taktklaren Schritt erkennen. Als die Zügel dann aufgenommen wurden, zeigten fast alle Pferde am Anfang die Tendenz hinter den Zügel zu kommen und sich eng zu machen. Durch eine ruhige, weich getragene Hand und einen einfühlsam treibenden Schenkel gelang es den Reitern, die Pferde an die Hand zu treiben und die Nase vor die Senkrechte zu bekommen. Beim Trab wurde dann vom ersten Tritt an ein losgelassenes, zwangloses Tempo verlangt. Auch im Trab wurde so lange an der Dehungshaltung gearbeitet, bis die Pferde sich vertrauensvoll an die Hand gedehnt haben. Man darf nicht den Fehler machen, die Pferde zu schnell zu reiten und so auseinander zu jagen und aus dem Gleichgewicht zu bringen. Im ruhigen Tempo zusammenhalten; den Pferden fällt es so leichter sich auszubalancieren und die Muskeln zu entspannen. Die Qualität des Ganges und der Aufrichtung ist das Ergebnis gymnastizierender Arbeit und kann nicht durch den Hals „krumm“ machen erzwungen werden. Das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen ist eine zentrale Übung in der Reitlehre. Nicht nur beim jungen Pferd, sondern auch das ausgewachsene Pferd muss jeder Zeit und nach jeder Lektion in der Lage sein, sich fallen zu lassen. Pferde können sich bis sie ausgewachsen sind, 7-8-jährig, im Bewegungs- und Muskelapparat anpassen. Also nicht zu früh spezialisieren - abwechslungsreiche Ausbildung. 

Nach dem praktischen Teil standen die beiden Referenten noch für Fragen zur Verfügung. 

Ein sehr gelungenes Seminar, welches jeder pflichtbewusste Reiter sich zu Herzen nehmen sollte. 

Annika Gamerad

Buchtipp: 

Der Reiter formt das Pferd 
Udo Bürger / Otto Zietzschmann 

Wegen der großen Nachfrage nach dem 1939 erstmals erschienenen Buch "Der Reiter formt das Pferd" und der immer noch währenden Aktualität dieses Themas entschloss sich der FNverlag zur Wiederauflage dieses einmaligen Werkes. 

Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausbildung und letztlich für ein langes und gesundes Leben als Reitpferd werden sehr verständlich und anschaulich beschrieben. Die Autoren erklären physiologische Erkenntnisse als Grundlagen für die Reitlehre und erläutern wichtige Anhaltspunkte für die Ausbildung. 

Bestätigt wird dies durch den Mannschafts-Olympia-Sieger und ehemaligen Bundestrainer der Dressurreiter Klaus Balkenhol: "Unzählige "Spitzenpferde" verschwinden durch unsachgemäße Ausbildung auf Nimmerwiedersehen in der Versenkung, andere schwierige und eher durchschnittlich begabte Pferde hingegen werden bei guten Ausbildern zu "Spitzenpferden" umgeformt. Was Not tut ist das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Muskeltätigkeit und Skelett im Zusammenspiel bei den verschiedenen Ausbildungsphasen und Lektionen, und zwar ganz egal für welche Sparte der Reiterei man sich entscheidet." 

Dr. Heuschmann, der eine Tierklinik in Warendorf leitet und sich auch auf Fachtagungen und in Fachzeitschriften kompetent mit diesem Thema auseinandersetzt, unterstreicht in der Einleitung der Wiederauflage des Buches "Der Reiter formt das Pferd", dass die korrekte Ausbildung nach der Ausbildungsskala keine Erfindung der Reitlehre ist, sondern schlicht in der Natur der Sache liegt. Es hat mit der Konstruktion des Pferdes zu tun. Gutes und durchdachtes Reiten ist nach Heuschmann nach wie vor der einzige und beste Schutz vor allen gesundheitlichen Schäden beim Pferd. 

Ein Buch, das Pflichtlektüre für jeden verantwortungsbewussten Reiter, Ausbilder, Richter und Tierarzt sein sollte.